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„Wegen des Ausblicks“, sagen die Leute, würden sie gerne da oben wohnen. Da oben, das ist der Lohweg 2, der Aussiedlerhof meines Bruders, der vor fast 60 Jahren vom unteren Loh-Wäldchen zum oberen gezogen war, und vor einigen Jahren verstorben ist. Nun wohne auch ich hier oben. Mein Bruder war jedoch nicht wegen des wunderbaren Ausblicks über einen großen Teil des Sauerlandes bis zur Soester Börde auf die Höhe gezogen, sondern wegen einer landwirtschaftlichen Ausbreitung. Mein Vater unterstützte alles. Dennoch wäre er gern in seinem sowie meinem Geburtshaus auf der Lägge geblieben...


 

Die Jahre sind ins Land gezogen – die Menschen älter geworden oder gestorben und inzwischen ist das meiste Land sowie die Stallungen und das Wohnhaus verkauft. Ich habe noch Wohnrecht...
In Dießen genoss ich auch eine besondere Aussicht: Von einem Balkon über den Ammersee schauend, mit Blick auf Kloster Andechs – besonders im Winter, wenn die Bäume nicht den Blick verstellen. Vom andern Balkon sah ich die ehrwürdige Kirche, mit dem besonderen Turm des Marienmünsters. Schon beim Hinschauen hörte ich im Geiste die Glocken läuten...Und noch heute gehen sie mir nicht aus dem Ohr.
Nach meiner Rückkehr zum Tal auf der Höhe, wie Herdringen genannt wird, schaute ich aus dem Fenster zuerst über die nahen Wiesen, auf denen Kühe und Pferde weideten. Ganz plötzlich war es Frühling geworden und ich konnte zusehen wie alles grünt und blüht! Und das noch ganz kleine Kälbchen umlief jeden Morgen die bunte Kuh mit den langen Haaren und Hörnern, die noch ruhte und stieß sie immer wieder an, solange, bis das Muttertier aufstand und die Milchquelle freigab. Glückliches Kalb!

Unter den Wiesen liegt der Friedhof, den ich schon zu vielen Beerdigungen beging; die traurigste war mein Bruder. Mir kam es vor, als ginge das halbe Dorf mit. Ein neunzigjähriger Verwandter wurde auch begraben, der mir als Vierjährige einen Kaufladen zimmerte und inzwischen mehrere Kinder-Generationen erfreute. Kürzlich ist auch meine jüngste Schwester Hildegard verstorben, die mehrere Jahre von meiner Schwester Eliabeth - mit Team - betreut wurde.
Jemand sagte: „Wenn du die alten Namen suchst, dann gehe auf den Friedhof“! Ja – er hatte Recht. Da finde ich sie alle wieder – liegend in Reih' und Glied -. Bilder und Tränen steigen auf – verfliegen mit dem Wind...
Dann blickte ich weiter auf Kirche und Schule, die zu meiner Zeit höchste Würdenträger waren. Dahinter das Schloss, 'von Fürstenberg', ehemals mit einem alleinstehenden Baron (früher waren es Fürsten und Grafen). Meine gute Erinnerung lässt vieles erhellen, weil die Kindergartenzeit im Schloss noch heute Prinzessinnen und Prinzen tanzen lässt... Und schließlich war schon meine Großmutter Oberköchin im Schloss!  Schöne Eintragungen in ihrem Poesie-Album lassen auf Vieles schließen. 2023 konnte ich dort meinen 80. Geburtstag feiern.

Schaue ich aus dem großen Fenster nach links zur Teilstadt Neheim, sehe ich vordergründig, fast wie auf ein neues Dorf, mit großen Wirtschaftsgebäuden, die sogenannte Wiebelsheide. Früher grasten dort unsere Kühe, die wir Kinder auf der Waldwiese oftmals hüteten.

Ganz nahe jedoch, direkt hinter dem Loh-Wäldchen zur linken Seite, steht die Freilichtbühne Herdringen, auf der ich als Kind 10 Jahre mitspielte. Freilich gab es damals nur fromme oder klassische Theaterstücke sowie Märchen von den Gebrüdern Grimm.
Heute gibt es erneut für Kinder und Junggebliebene Märchen und etwas für Liebhaber der leichten Muse.
Würde ich die Optik nach links ausweiten, könnte ich über den Berg das alte Kloster Oelinghausen sehen, welches noch heute eine kultur-religiöse Sprache spricht. Zur Zeit sind nur 3 Ordensschwestern vom französischem Orden „Der Heiligen Maria Magdalena Postel“ dort. Seit einiger Zeit bin auch ich Mitglied im Freundeskreis Oelinghausen.
Der Blick nach rechts gibt die Teilstadt Hüsten und das Dorf Müschede frei. Dieses Dorf war für uns Kinder stets wichtig, denn unsere Mutter und viele Verwandte sind dort geboren. Am Sonntag radelte unsere Mutter mit ihren 3 Mädels -nach der Andacht- oftmals zu ihrer Mutter ins Eulendorf Müschede. Die Jüngste saß vorn im Körbchen, die Zweite hinten auf dem Gepäckträger, mit der Mahnung dieses Mal nicht einzuschlafen – und ich als Älteste lief nebenher. Vielleicht rührt meine Wanderliebe daher...
Ich gehe jetzt wieder oft zu Fuß, auch um alte Straßen und Namen des Krähen-Dorfes zu erinnern – und sehe noch manche Bewohner im Geiste vor ihren Häusern -. Aber real finde ich nur noch wenige. Vieles ist jedoch sinnvoll erneuert worden und einen neuen Dorfplatz gibt es auch, mit Abbildungen aus früheren Zeiten und Stelen zu Ehren des Rechenmeisters Heinrich Knoche im Dorf verteilt. Es gibt auch das Forum, den Verein für Dorfgeschichte, in dem ich Mitglied geworden bin.

Täglich holen junge Mädchen Pferde von der Koppel hinunter ins Tal. Sie grüßen stets freundlich, aber ich kenne keines mehr.

Beim Hochwandern sehe ich die schönen Tiere oft so stehen als meditierten sie – und ich glaube, dass sie es schon immer taten -.
Beim Hinunterwandern belohnt mich ein Blick ins Loh-Wäldchen, im Frühjahr mit Schlüsselblumen und Buschwindröschen übersät wie in der Kinderzeit. Sternenblumen nannte ich sie, weil ich kleinkindlich glaubte, dass zur Namenstags- und Geburtstagszeit die Sterne vom Himmel auf die Walderde fallen...
Und nun blühen sie sogar auf der Wiese neben und hinter dem Haus, als wollten auch sie mich erinnern.

Ja – mit 18 bin ich fortgezogen und mit 75 zurückgekommen in die Sauerländische Heimat, auf den Bauernhof, der keiner mehr ist. Wie viel bringe ich von 'unterwegs' mit? Und wie viel darf ich... und wie viel will man...?
Und jetzt mit 82 unterrichte ich wöchentlich Yoga und Meditation im Christophorus-Haus neben der Kirche St. Antonius und St. Vitus.
Vor Kurzen erhielten die Kursteilnehmer von mir einen Dichterabend mit Musikkapelle geschenkt.
Jeden Morgen, nach den Yogaübungen im Freien, setze ich mich auf meinen neuen Meditationsplatz in die Stille, wie in einen großen Dank an das Leben und an die Liebe.
Möge es so bleiben. „So Gott will“ sagten die Eltern und Großeltern.

„ Weil ich in der Stille anfing,
konnte ich dem Lauten nie ganz verfallen.
Weil ich als Kind die Wälder schweigen und wachsen sah,
konnte ich immer ein stilles Lächeln
für das aufgeregte Treiben haben,
mit dem die Menschen ihre vergänglichen Häuser bauten.
Es war, als trüge ich andere Gesetze und Maßstäbe in mir“

-Ernst Wiechert-